Samstag, 15. Oktober 2011

Muss da wurscht sein

Auf Anregung eines Freundes möchte ich heute den längst ausständigen Blogeintrag zum Thema „Wurstabteilung in Supermärkten“ verfassen, der mehrere Personen in meiner näheren Umgebung wie auch mich selbst seit geraumer Zeit beschäftigt. Meinen vegetarischen Freunden sei gesagt: auch ihr könnt vermutlich die eine oder andere Wahrheit erkennen. Doch nun zum Thema.


Jeder von uns hat schon einmal in einer Wurstabteilung im Supermarkt etwas eingekauft und kennt daher sicherlich mehrere damit im Zusammenhang stehende Phänomene.


1) Ich kann mich nicht entscheiden
Aus der Flut an Wurst- und Schinkensorten überhaupt noch annähernd auswählen, geschweige denn der zuständigen Mitarbeiterin vermitteln zu können, was man gerne hätte, wird zum schier unlösbaren Problem. Im besten Fall wird einem seitlich durch andere Einkäufer die Sicht auf die Wurst versperrt während einen von hinten auch noch ein Reinigungsgerät attackiert. Es empfiehlt sich, nach Bauchgefühl rasch zu entscheiden und nicht durch lästige Fragen aufzufallen, denn:
 

2) Vor mir kauft eine für ein halbes Jahr ein
Sehr beliebt ist auch die Tatsache, dass die Person vor einem die Frage „Darf es sonst noch etwas sein?“ ständig mit „Ja!“ beantwortet und Wurst in diversen Sorten für eine 10-köpfige Fettsucht-Familie einkauft. Im Idealfall stellt sie – wie erst gestern erlebt – hierzu noch intellektuelle Fragen wie: „Tschuldigung wie viel Prozent Fett hat der Käse in der Käsewurst?“,  „Haben Sie einen Rindersaftschinken aus Nordwestkärnten?“ oder „Könnten Sie mir die Unterschiede der sieben Sorten Putenschinken nennen?“. Best Practice ist hier einfach ruhig zu bleiben und im richtigen Moment durch Stimmenimitation in Perfektion die Frage, ob es noch etwas mehr sein darf mit „NEIN!“ zu beantworten. Und schon ist man selbst dran.


3) Darf es etwas mehr sein?
Jede Bestellung wird von der Wurstmitarbeiterin (in Insiderkreisen liebevoll Wurschtbeauftragte genannt) mit der allumfassenden Frage „Darf es auch etwas mehr sein?“ quittiert. Mit einem unbedachten Kopfnicken werden aus den bestellten 10 Deka Beinschinken im Handumdrehen 17 Deka, die Extrawurst vervielfältigt sich gar auf 24 Deka. Ein gefundenes Fressen für jeden, der unauffällig rasch zunehmen möchte. 


4) Meine Semmel schaut komisch aus
Wir alle kennen das Phänomen, dass die an der Wursttheke in Supermärkten bestellte Wurstsemmel aus Zeitgründen mit der Liebe aufgeschnitten wurde, die man sonst nur herumschwirrenden Insekten, Rechtsradikalen oder dem am Schuh klebenden Hundedreck entgegenbringt – folglich mit keiner. In die schräge Semmel wird dann mit mindestens ebenso viel Begeisterung die bestellte Wurst zumeist in Hülle und Fülle (siehe darf es etwas mehr sein?) hineingewuchtet. Die Wurst ist außerdem derart liebevoll im Weckerl platziert, dass man gleich Weckerl und Wurst extra hätte kaufen können. Der Name „Extrawurst“ könnte hier neu interpretiert werden. 


5) Ich kann mein Weckerl im Aufstrich nicht erkennen
Die wahren Gourmets ordern statt Wurst exquisite Besonderheiten wie Eiaufstrich oder Liptauer, was die Wurschtbeauftragte dazu veranlasst, gefühlte 500g Aufstrich ins Weckerl hineinzukleschen. Dadurch kommt es dann am Ort der Nahrungsaufnahme erschwerend zu Komplikationen vierten Grades. Der Kenner öffnet vorausschauend mit starkem Feingefühl die Folie um das Schlimmste zu verhindern, doch umsonst: Man wickelt das Weckerl aus und – siehe da – es ist vor lauter ausgetretenem Aufstrich kaum noch ersichtlich. Aus dem Weckerl mit Aufstrich wurde im Handumdrehen ein Aufstrich-Haufen mit darin befindlichem Getreideprodukt. Am besten beim nächsten Mal gleich Gabel und Messer mitbringen, um das Mahl ohne Überreste auf Kleidung, Haaren und Gegenständen bewältigen zu können.


6) Sonderfall Leberkäsesemmel
Bitte beachten Sie, dass die Bestellung von Leberkäse nur für Fortgeschrittene geeignet ist. Hier gibt es nämlich zusätzlich die Gefahr, dass auch der Leberkäse schräg geschnitten wurde und dann die Semmel vor Asymmetrie nur so erstrahlt. Beim Essen führt dies dann zu Erlebnissen entlang der Bandbreite: „ist da überhaupt Leberkäse drin im Semmerl?“ bis zu „Ich brings kaum ins Maul.“ 


7) Meine Wurschtbeauftragte ist Vegetarierin
Das ist Ihnen vermutlich noch nicht passiert. Mir freilich schon. Über die Frage, ob die richtige Berufswahl hier verfehlt wurde, gehen die Meinungen auseinander. 


„Billa“, sagt der Hausverstand. „Wurschtabteilung“ hab ich ihn aber noch nie sagen gehört…


© Eiki