Dienstag, 18. Oktober 2011

Haarige Angelegenheiten

Gut, ich geb‘s zu. Ich habe heute Morgen mein erstes graues Haar entdeckt. Festlegen, ob das ein Grund zur Panik ist, möchte ich mich noch nicht und konnte auch beim frühabendlichen Lebensmitteleinkauf die erfreulicherweise genau heute im Angebot befindlichen Haartönungen und Anti-Falten-Cremen vorerst ignorieren.

Dennoch galt meine volle Aufmerksamkeit meinen Haaren und den Haaren meiner Mitmenschen. Und abgesehen von der Tatsache, dass mir bereits beim Verlassen der Wohnung  im Aufzug sowohl Elvis wie auch Einstein frisurentechnisch die Ehre gaben, war ich auch sonst recht fassungslos. 

Aus schier unerfindlichen Gründen scheint es gerade unter jungen zumeist fußballspielenden Männchen im Trend zu sein, beide Kopfseiten abzuscheren – im besten Fall inkl. Ghetto-Gangsta-Muster-Rasur – und die Haare oben am Kopf länger zu lassen. Nicht nur wird dadurch die Aerodynamik beim lässigen Poser-Hüftgang betont, auch wird der Kopf optisch zum vorbildlichsten aller Eierschädel.

In der älteren Generation kann man über solche Jugendsünden nur schmunzeln, streicht sich aber dann selbst einzelne verbliebene Haarfäden über die Glatze. Täuschend echt und kaum von vollen Haar zu unterscheiden! (Ob hier Sarkasmus im Spiel ist, bleibt im Dunkeln).

Gut, ich meine fast jeder von uns hat schon die eine oder andere Frisurensünde begangen. Liebe Eltern, Schluss mit dem Lächeln – ich kenn eure Führerscheinfotos. Aber ich selbst nehme mich da nicht aus, hatte ich doch mit 15 das dringende Bedürfnis, meine Haare unter Anwendung von 500g Haar-Wax zu Dreads zu formen. Ein halbes Jahr später kam dann die Schere ins Spiel und es hieß: Kurzhaarfrisur, was in meinem Fall wirklich nur als Strafe gesehen werden kann. Begutachter meines Passfotos, das dankenswerterweise zu diesem Zeitpunkt geschossen wurde, lachen sich heute noch ins Fäustchen.

Doch meine ehemaligen Dreads sind ein Bemmerl gegen den Schmalzbrot-Look einiger Mitmenschen. In der U-Bahn wurde mir erst bewusst, wie viele Leute ihre Haare penibelst von sämtlichen Reinigungsmaßnahmen fernzuhalten scheinen und sogar Wasser als schlimmes Unwort betrachten. Ob hier ein Fall von Missinterpretation der Floskel „das kannst du dir in die Haare schmieren“ vorliegt, konnte ich noch nicht aufklären.

Einer hatte gar ein derart verkommenes Nest am Schädel, dass ich die Läuse auf seiner Schulter schon angesichts der Aussicht auf ein lauschiges Brüt-Örtchen mit dem Vorspiel beginnen sah.

Angesichts solcher Umstände kann man sich eigentlich nur auf die kalte Jahreszeit freuen. Da braucht man nämlich eine Haube.

© Eiki